Prof. D. Carl Gottfried Pfannschmidt
Ein deutsches Künstlerleben
Weitere Links:
St. Michaelis in Hof
St. Bartholomäi-Kirche in Demmin
 
Nach Quellen zusammengestellt von der Enkelin Hanna Pfannschmidt 
Bad Oeynhausen im Herbst 1973
 
Ich bin gebeten worden, etwas über meinen Grossvater, den Kirchenmaler C. G. Pfannschmidt zu erzählen. Da er bereits 1887 gestorben ist, habe ich ihn persönlich nicht gekannt und bin auf Erzählungen seiner inzwischen verstorbenen Kinder und das Buch meines Vaters Martin Pfannschmidt über ihn angewiesen. Zu diesem Buch lagen viele Briefe und Tagebücher vor, aus denen ich ihn gelegentlich selbst sprechen lassen werde.  

Als Motto möchte ich ein Wort von Ludwig Richter nehmen: "Leben und Kunst müssen eins sein und dürfen sich nicht scheiden." Dies trifft bei ihm voll und ganz zu.  

Carl Gottfried Pfannschmidt wurde am 15. 09. 1819 in Mühlhausen / Thür. geboren. Getauft wurde er in der Blasiuskirche, an der Bach von 1707 - 1708 Organist war. Die Familie stammt, nachweisbar bis 1413, aus Thüringen. Sein Grossvater, Christian Friedrich Pfannschmidt, ein strenger, verschlossener Mann, Kaufmann,  besuchte von Erfurt aus die Messen mit seiner Frau zusammen. So kam es, dass sein Sohn Philipp 1791 während einer Messe in Braunschweig geboren wurde.  Um die Jahrhundertwende verlegte Christian Friedrich sein Geschäft nach Mühlhausen in Thüringen und bezog dort ein Haus in der Linsenstrasse. Das Geschäft ging gut; aber -erst 52 Jahre alt - starb er plötzlich, kurz nach seiner Frau. So musste der erst 20jährige Philipp das Geschäft übernehmen.  1812, mitten in den Kriegsstürmen,  heiratete er seine Jugendfreundin Mariechen Niemann. Pfannschmidt schildert seinen Vater: ìDer frühe Tod der Grosseltern nötigte meinen Vater schon in seinem 20. Jahre, das Schnittwarengeschäft zu übernehmen. Dass dieser es weiterführen sollte, hatte der Grossvater bereits dadurch bestimmt, dass er ihn die Weberei lernen liess. In Chemnitz brachte mein Vater die Lehrzeit zu und erwarb sich den Gesellenbrief. Obgleich er die Schule frühzeitig verlassen musste, hatte er sich doch einen Grad an Bildung angeeignet, der alle Achtung einflösste. Er zeichnete gut, machte Verse, sprach französisch, sang einen schönen Tenor, spielte Harfe, Flöte,  Klavier. Er fabrizierte Siegellack, Eau de Cologne und Tinte. Bei seinem treuen,  ehrlichen, goldreinen Charakter schien er zu manchem anderen Beruf eher befähigt, als zu dem eines schlau berechnenden Kaufmanns." 

Von 12 Kindern blieben 7 am Leben, davon Carl als 3. Kind. Eine grosse Rolle im Familienleben spielte die älteste Tochter Karoline, die geistig die Führerin des Bruders Carl wurde und praktisch die Seele des grossen Haushaltes war. Dieser war durch wirtschaftliche Fehlschläge, Konkurrenz am Ort, Brand eines Warenlagers in Göttingen immer schwieriger geworden. Zum Hause gehörige Stallungen waren an die Kürassier-Schwadron vermietet, der jeweilige Major wohnte im 1. Stock des Hauses. Durch seine Hilfe beim Bewegen der Pferde lernte Carl frühzeitig Reiten.  

Mit 5 Jahren erkrankte er lebensgefährlich an einer Leberentzündung. Seine tägliche Frage war: "Straft mich hierbei der liebe Gott?" Das lange Krankenlager erforderte eine lange Rekonvaleszenz. Aber er überwand die Krankheit und wurde ein froher, lebendiger Junge, der mit anderen Kindern umhertollte im Garten vor den Toren,  auf Kirmessen,  bei Spielen,  Schlittschuhlaufen, weiten Wanderungen,  bei Jahrmärkten, Schlachtfesten, und auch den Tanzunterricht in vollen Zügen geniessend.  Das religiöse Leben stand unter dem Zeichen des Rationalismus. Erst die Schwester Karoline lehrte die Geschwister beten.  

Der Besuch des Gymnasiums war keine reine Freude für Carl. In den Fremdsprachen war er schlecht, Freude hatte er an Religion, Mathematik, Geographie und vor allem am Zeichnen. Dank seines guten Zeichnens kam er in der Klasse "rauf". Er schreibt: "Einmal schien mir jedoch das Morgenrot zu leuchten.  Es wurde eine neue Rangordnung der Klasse gemacht, und ich kam ziemlich weit oben zu sitzen. Darüber erhob sich ein Sturm unter den Knaben am oberen Tische. Um ihn zu beschwichtigen, lehnte sich der Ordinarius über das Katheder und hielt den erregten Knaben mein Zeichenbuch vor die Augen und rief ihnen entgegen: "Seht einmal die Nasen, die Nasen, die er gemacht hat!" - und der Sturm legte sich." 

Als Prämien für gutes Zeichnen erhielt er eine französische Grammatik und ein Reisszeug. Besonders gefördert wurde er vom Zeichenlehrer Dettmann, der ihm bis zum Tode ein eifriger Förderer und Freund geblieben ist. Dieser liess die Schüler zeichnen, wozu sie Lust hatten, im Sommer auch nach der Natur. Unter seinem Einfluss reifte in Carl der Entschluss, Maler zu werden. Den Vater beunruhigte dieser Entschluss, und besorgte Nachbarn fragten die Mutter: "Soll er dann auch im Winter schlachten wie die Anstreicher?" 

Carl war auch im Schülerchor, sang im Gottesdienst die Motetten und, im schwarzen Mäntelchen, eine Stunde lang vor den Häusern.  

1834 wurde er eingesegnet. Sein Spruch: "Also hat Gott die Welt geliebet, dass er seinen eingeborenen Sohn gab. . . " Er schreibt: "Wenn ich auch damals die tiefere Bedeutung des Spruches nicht verstand, so ist er doch später mit dem Worte "Wir haben einen Gott, der da hilft und den Herrn Herrn, der vom Tode errettet der Fels geworden, zudem mein Leben geflüchtet ist und die Angel, um die es sich bewegt." 
 

Auszug aus dem Elternhaus  

Die Wahl zum Orte des Studiums fiel auf Berlin, weil dort ein Mühlhäuser, der Hofbaurat Stüler, eine einflussreiche Stellung hatte und bereit war, Carl behilflich zu sein. Die Mittel für Reise und Studium waren sehr knapp, das Vermögen war zusammengeschmolzen, die Eltern konnten wenig Unterstützung geben. Carl schreibt: "Ich war auf den reichen Zahlmeister angewiesen, dessen sich die Spatzen auf dem Dach jubelnd freuen." Er ging von der Schule ohne den Abschluss der Obertertia ab.  Der Bürgermeister Gier sagte ihm zum Abschied, er solle nicht vergessen, in seinen Reisekoffer die Bibel zu legen, sie würde er in allen Lebenslagen brauchen. Diesen Rat befolgte Carl zeitlebens. Bei Abschiedsbesuchen erhielt er allerhand Zehrpfennige. Mit gespartem Zuckergeld und einigen Talern des Vaters konnte er sich mit ca. 25 Talern auf die Reise nach Berlin begeben, um das Malen zu lernen. Über diese Reise schreibt er: "In der Nacht um 3 Uhr am 19. 03. 1835 verlies ich das Vaterhaus und die Heimat im Alter von 15 1/2 Jahren. Traurig in die eine Ecke des Wagens gedrückt, eingehüllt in mein abgetragenes, grünes Mäntelchen, das Ränzel neben mir,  sass ich und fror. ( Im Planwagen eines Frachtfuhrmannes, der ihn bis Nordhausen mitnahm.) Sowie der Morgen graute, sprang ich vom Wagen und ging nebenher. Am Abend kehrten wir in Elende ein. Die Streu teilte ich mit den Fuhrleuten. Mit dem frühesten Morgen gingís weiter. Vor Nordhausen verabschiedete ich mich vom Fuhrherrn, der nichts von mir annahm, und schlug rechts den Weg nach Sangerhausen ein." Bis zum Nachmittag war er so überanstrengt, dass er in einem Dorf einkehren musste. Am nächsten Morgen traf er einen jungen Bergmann, der ihm das schwere Felleisen abnahm. In Eisleben waren seine Füsse so geschwollen, dass er in Pantoffeln weiter wandern musste. Müde bereitete er sich im Chausseegraben ein Lager für die Nacht. Da hörte er ein "Kling-Kling", ein Fuhrmann mit einem leeren Handpferde kam vorbei und nahm ihn auf dem Handpferde auf seine Bitte bis nach Halle mit. Dort suchte er den Bräutigam seiner Schwester Karoline, den Studiosus Hübner, auf, der ihn liebevoll aufnahm. Dieser riet ihm, den Rest der Fahrt mit der Postkutsche zu machen, da er nicht mehr marschfähig war. Dies tat er und kam am 24. 03., also nach 6-tägiger Reise, in Berlin an. Dort galt es zunächst, eine Unterkunft zu finden. Ein Empfehlungsbrief an einen Tischlermeister Franke (Schwager des Mühlhäuser Organisten) kam ihm in die Hände, und er suchte sich den Weg in die Lindenstrasse 109. Frankes nahmen ihn auf das Herzlichste auf und behielten ihn zunächst ganz bei sich, gegen eine ganz geringe Miete, mit Kost und Familienanschluss. Nun wandte er sich zunächst an den Hofbaurat Stüler, der im Auftrage Friedrich Wilhelms IV.  in Berlin und ausserhalb eine rege Tätigkeit ausübte. (Neues Museum, Kuppel der Schlosskapelle u. a.) Durch Stüler kam Carl auch zu dem Geschichtsmaler Daege, der ihm ein Atelier zur Benutzung zur Verfügung stellte, eine ganz grosse Hilfe für den armen Kunstschüler. Direktor der Akademie der Künste war Schadow, bekannt u. a.  durch das Viergespann auf dem Brandenburger Tor. Mit Eifer ging Carl ans Studium. In nur 1 1/4 Jahren durchlief er sämtliche Klassen, so dass er schon als 16-jähriger in den Aktsaal kam. Dabei litt er manche äussere Not. Später erzählte er, dass die Summe, die er auf viele Jahre verteilt von seinen Eltern erhielt, nicht an 200 Taler heranreichte. Das Abendbrot bestand oft aus Wasser und trocken Brot. Den Morgenkaffee mit 1 Schrippe bei Frankes strich er, um zu sparen.  Sein Lehrer Dettmann schickte ihm öfter Zeichenpapier. Da vermittelte ihm Daege kleinere, bezahlte Arbeiten zur Aufbesserung seines kümmerlichen Unterhaltes. Es kam ihm sogar der Gedanke an eine Reise in die Heimat, die er nach 1 1/4 jähriger Abwesenheit, verbunden mit einer Studienreise über Quedlinburg, den Harz und Brocken auch ausführte. Über seine Ankunft zu Hause schreibt er: "Ich erschien mit langen, bis auf die Schultern wallenden, blonden Locken, einem nachlässigen, wankenden Gange, so dass man wohl sagen konnte: Ist der jungen Mann trunken von geistigen Getränken oder ist er geistes-trunken ? - dazu machte der breitkrempige Hut und die Guitarre unter dem Arme den Romantiker vollständig. Bei meinem lieben Vater fand dieser Aufzug wenig Anklang. Er meinte, dass es der Gesundheit viel zuträglicher wäre, wenn Körper und Haupt aufrecht gehalten würden." 

 
Selbstbildnis des 19jährigen
 
 
Am 30. 10. 1836 langte er wieder in Berlin an und trat nun als Meisterschüler bei Prof.  Daege ein. Dieser versuchte, den stark romantischen Einschlag der Zeitströmung mit der Antike in Einklang zu bringen. Pfannschmidt wendete sich in diesen Jahren immer bewusster zur christlichen Kunst hin. Er musste schwere Jahre durchmachen. Im elterlichen Haus gab es grosse wirtschaftliche Sorgen. Um die Eltern nicht zu belasten, gönnte er sich nur sonntags ein Mittagessen. Der Bräutigam der Schwester,  Kandidat Hübner, erkrankte so schwer an Epilepsie, dass er kein Amt antreten konnte und erst nach jahrelangem Leiden durch den Tod erlöst wurde. In dieser schweren Zeit bewährte sich der Glaube der Schwester,  wodurch sie auch Carl Helferin und Stütze wurde. Auch von aussen kam ihm Hilfe. Frankes, Prof. Daege und ein Verwandter von ihm gewährten Carl wöchentlich je einen Freitisch. Zu Weihnachten ererhielt er einen schönen blechernen Malkasten mit Zubehör, "Ungenannt" schenkte 10 Taler. Die Akademie erkannte ihm wegen seines Fleisses einen Preis von 25 Talern zu. Kleinere Aufträge durch Stüler und Daege halfen weiter.  

So konnte er Mitte Dezember 1837 zu einem 2. Besuch nach Hause reisen, wo er bis April 1838 blieb, um sich an Leib und Seele zu erholen und vor allem seine Augen zu schonen, die durch Überanstrengung erkrankt waren.  

Eine Wendung zum Besseren folgte, als er durch Daeges und Stülers Vermittlung Zeichenunterricht in mehreren wohlhabenden Familien geben konnte. So konnte er nun den Briefen an seine Eltern Geld einlegen. Aber schon kam eine neue Sorge: Die Einberufung zum 3jährigen Militärdienst,  da er ohne die mittlere Reife vom Gymnasium abgegangen war. Nach banger Sorge fand er einen verständnisvollen Stabsarzt, der ihn z. Zt.  als untauglich bezeichnete und mit den Worten entliess: "Malen Sie uns schöne Bilderchen!" So war er diese Sorge vorläufig los und auch wirtschaftlich ging es ihm besser. Er schreibt: "Ich bin so mit Aufträgen überhäuft, dass ich ein Jahr lang nur für Geld arbeiten könnte. Und wenn ich so fortführe, würde ich bald ein reicher Mann werden, aber kein Mensch und Künstler, der für die Wahrheit wirken soll. Deshalb lasse ich die Verdienste alle hintenan liegen, arbeite nur soviel dafür, als ich muss und lebe meiner Himmelstochter, der Kunst. Vorderhand will ich noch ein armer Künstler bleiben. Denn bei einem solchen verweilt die Muse am liebsten. Umso sicherer, glücklicher und reicher wird die spätere Ernte." Wie sicher muss sich dieser 20jährige Jüngling seiner Berufung gewesen sein, dass er die Kraft hatte, die verlockenden Angebote nur zum notwendigen Lebensbedarf anzunehmen, sonst aber nur seinem Studium und seiner Kunst zu leben! 

Eine tiefe Seelenfreundschaft verband ihn mit seinem Vetter Kühn, die bis zum Tode und darüber hinaus in die nächste Generation dauerte. Kühn heiratete später Carls Lieblingsschwester Karoline, wodurch die Freundschaft noch inniger wurde.  

Das Jahr 1840 brachte die Lösung des Verhältnisses zu Daege und 1841 die Übersiedlung nach München, wohin es ihn wegen des grossen Cornelius Ruf und Ansehen zog, zu dessen Kreis Männer wie Kaulbach, Schnorr und Veit zählten. Das Geld zu diesem Untemehmen hatte er durch den Verkauf eines "Amor" für 30 Friedrichsdor beschafft. Auf der Fahrt dorthin hatte er Pass-Schwierigkeiten wegen der 3.  und letzten Stellung zum Militärdienst. Nach wochenlangem Hangen und Bangen wurde er endgültig freigestellt. Zu Fuss ging es bis Coburg. Dann musste er wegen wund gelaufener Füsse mit der Post weiter. In München traf er seinen Freund Vogel, aber Cornelius, um dessentwillen er dorthin gegangen war, war kurz vorher von Friedrich Wilhelm IV. nach Berlin berufen worden.  

Eifrig studierte Carl die Pinakothek und hielt sich an Kaulbachs Rat: "Studieren Sie fleissig die Bibel und den Cornelius." So führte ihn Kaulbach, den er zunächst höher schätzte, letzten Endes zu Cornelius.  

Zur Erholung wanderte er 4 Wochen durch Tirol und brachte viele Landschaftsskizzen mit.  

1841 kehrte er nach Berlin zurück, da ihm das Geld ausging. Hier entschied er sich nun ganz für die monumentale Malerei, die Cornelius neu belebt hatte. Dazu musste er sich die Technik der Freskomalerei aneignen. Gelegenheit hierzu gab ihm die Mitarbeit an den Fresken des Alten Museums, deren Ausführung Friedrich Wilhelm IV.  dem Cornelius übertragen hatte. Mit Cornelius war Carl Heinrich Hermann aus München gekommen, zuerst als sein Schüler, dann als sein Mitarbeiter. Zwischen Hermann und Pfannschmidt entstand eine tiefe Freundschaft und fortan verkehrte Carl im Hermanníschen Hause wie ein Bruder. Für die Arbeit an den Fresken bezog er ein kleines Gehalt, sodass er sorglos leben konnte. Als fernes Ziel schwebte ihm sogar eine Italienreise vor, für die er anfing, Italienisch zu lernen.  

1844 starb sein sehr verehrter Lehrer und Förderer Dettmann und die Frau seines Freundes Hermann, beide eine grosse Lücke hinterlassend.  

1844 kommt es zu der 1. Italienischen Reise. Mit Empfehlungsbriefen von Maler Hermann und einem Mühlhäuser Kaufmann, mit wenig Geld, aber viel Mut und Hoffnung machte er sich auf die Reise.  Zuerst sah er sich aber noch in Deutschland um, indem er über Kassel, Fritzlar, Marburg, Wetzlar, Frankfurt, Mainz, Worms, Strassburg,  dann über Basel durch die Schweiz nach Italien reiste. Er riet auch später seinen Schülern, sie sollten sich erst in Deutschland umsehen, ehe sie nach Italien gingen.  Über Mailand, Verona, Venedig, Florenz ging es - wegen der Unsicherheit der Wege teilweise von Carabinieri geleitet. Einen besonders tiefen Eindruck machte auf ihn der Maler Fiesole, auf den er immer wieder zurückkommt. Am 31. 10. 1844, nach 4 Monaten Reise, langte er in Rom an. Dort findet er Verkehr mit Münchner Freunden,  es werden Reisen nach Neapel, Pompeji, zum Vesuv unternommen, Sizilien und Palermo werden besucht, Reisen durch Etrurien und Umbrien folgen. Bemerkenswert war ein Ausflug nach Orvieto, wo der alte Dom besichtigt wurde. Aber die Wandmalereien des Signorelli waren von einer dicken Schmutzschicht bedeckt. Es wurden nämlich zu Pfingsten zum Gedenken an den heiligen Geist in der Kirche Feuer entzündet, deren Qualm den Schmutz jährlich vermehrten. Pfannschmidt und sein Freund Bolte erbaten sich die Erlaubnis, den Versuch der Reinigung zu machen.  Vier russische Gelehrte und Architekten arbeiteten seit Monaten an einem Werke über den Dom. Schnell kam man überein, gemeinsam wurde für Gerüste gesorgt, und es gelang mit vieler Mühe und Sorgfalt den jungen Künstlern, den Schmutz der Jahrhunderte abzukehren und abzuwaschen und die Fresken in strahlender Schönheit neu erstehen zu lassen. Noch nach über 27 Jahren gedachte man Carlís in Dankbarkeit durch Übersendung der neuesten Illustrationen des Domes.  

In Rom setzte er sich hauptsächlich mit dem Katholizismus auseinander. Im Gegensatz zu manchen Künstlern, die unter dem Eindruck Italiens zum Katholizismus übertraten, wurde er sich seiner protestantischen Glaubensrichtung ganz bewusst. In Rom kam es auch zu einem Treffen mit Cornelius, der ihm die Mitarbeit an einem Fresko im Charlottenburger Mausoleum in Aussicht stellte.  

1846 kehrte er nach Berlin zurück. Zunächst erhielt er den Auftrag, an der Wiederherstellung der Liebfrauenkirche in Halberstadt zu arbeiten. Dabei kam es zu einem Streit wegen der Maria als Himmelskönigin im Chor. Als nicht biblisch lehnte er diese Darstellung ab und arbeitete erst an den anderen Bildern. Sie waren sehr zerstört, es war eine schwere Arbeit, die sich durch zwei Sommer hinzog. Die Madonna wurde nicht wieder hergestellt, sondern die Nische himmelblau angemalt. 1848 trat Cornelius an ihn heran, um ihm unter günstigen Bedingungen bei den Fresken zum Campo Santo zu helfen. Als die Arbeit beginnen sollte, brach die Revolution aus und der Auftrag wurde hinfällig.  

Mit Cornelius kam es wegen der Aachener Domfenster, an denen er mitarbeiten sollte, zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung. Carl lehnte die Himmelfahrt der Maria ab. Es kam später zu einem Ausgleich, indem Pfannschmidt die biblischen Szenen: Begrüssung von Maria und Elisabeth, Geburt, Darstellung im Tempel, Flucht nach ƒgypten darstellen durfte.  

Es folgte ein grosser Auftrag Friedrich Wilhelm IV., die Darstellung des Abendmahls in der Schlosskapelle in Berlin.  

Von Oktober 1852 - Mai 1853 folgte eine 2. Italienreise, auf der er in Rom die Brüder Max und Emil Frommel kennenlernte, mit denen ihn dann auch eine Freundschaft für das ganze Leben verband.  

Ein weiterer grosser Auftrag wurde ihm zuteil. Von 1853 - 1855 malte er die Wandbilder in der Schlosskapelle zu Schwerin, die von Stüler wiederhergestellt worden war. In der Hauptsache handelte es sich um Darstellungen der Märtyrer und Kirchenväter, die er nach eingehenden kirchengeschichtlichen Studien schuf. Im Winter entwarf er zu Hause die Kartons, von denen er im Sommer die Figuren auf die Wand übertrug.  

Er war nun ein anerkannter Künstler und Meister geworden, es fehlte ihm nicht an Ehrungen. So wurde er 1855 zum Mitglied der Kgl. Akademie der Künste ernannt,  erhielt vom Mecklenburger Grossherzog die Schlossmedaille in Silber, von Friedrich Wilhelm IV.  den roten Adlerorden 4. Klasse.  

In diese Zeit erfolgreicher künstlerischer Tätigkeit fällt seine Verlobung am 21. 12.  1854 mit Johanna Hermann,  geb. 4. 12. 1837 in München, der ältesten Tochter seines Freundes Hermann. Er hatte sie von Kind auf heranwachsen sehen; auf der letzten Italienreise wurde ihm klar, dass er sie liebte. Dem Vater Hermann wurde es sehr schwer, seine älteste, noch so junge Tochter aus dem mutterlosen Haushalt herzugeben. Als er aber merkte, dass auch sie ihn liebte, gab er seinen Segen. Trotz des Altersunterschiedes von 18 Jahren bestand ein grosses, seelisches Verstehen zwischen ihnen, von Seiten Johannas auch ein weitgehendes Verständnis für seine religiösen und künstlerischen Interessen. Nach 2 Jahren Brautstand und langen Trennungen durch die Arbeiten in Schwerin erfolgte am 7. 10. 1856 die Trauung in der Matthäikirche in Berlin durch Generalsuperintendent Büchsel, der Johannas Konfirmator gewesen war, sie nach seiner Gewohnheit weiterhin duzte und künftig nicht nur Seelsorger, sondern Freund der Familie wurde. Die Hochzeitsreise ging nach Mühlhausen. Es war der letzte Besuch bei der Mutter, die kurz danach starb. Das junge Paar bezog eine Wohnung am Luisenplatz 8, wo Pfannschmidt sein Atelier hatte, und wo die Familie bis zu seinem Tode wohnen blieb. 1857, während Carl in Schwerin arbeitete, wurde das 1. Kind, ein Mädchen, Marie, geboren. Die Taufe fand im Atelier bei der von Carl gearbeiteten Weihnachtskrippe durch Gen. Superintendent Büchsel statt, der auch alle weiteren 10 Kinder taufte.  

Nach Beendigung der Schweriner Schlosskirche wurde ihm ein neuer, grosser Auftrag zuteil. Von 1858 - 1860 stellte er in der Kirche in Barth in Pommern die Fresken der 12 Apostel her. In 2 Sommern war seine Frau bei ihm in Barth. Aus dieser und späterer Zeit stammen viele Gedichte von Carl für seine Frau mit entzückend feinen Initialen und Zeichnungen.  

1860 erfolgte die Ernennung zum Kgl. Professor. Mit Stüler gab es noch 5 erfolgreiche Jahre gemeinsamen Arbeitens bis zu dessen Tode, so in Königsberg (Neumark) eine Kreuzigung, 7 Glasfenster in der Nikolaikirche in Berlin u. a. mehr. 1865 starb Stüler, 2 Jahre später Cornelius. Aber inzwischen war Pfannschmidt selbst ein Meister geworden und wirkte schon lange als Lehrer. So wurde er Lehrer der jung vermählten Prinzessin Viktoria, der Gemahlin des späteren Kaisers Friedrich III. Er schreibt: "Mit ihren reichen Gaben verbindet die Prinzessin grosse Lieblichkeit und Herzensgüte, dabei frische Energie, die für die Zukunft viel hoffen lässt. . .  Sie treibt emsig auch höhere Mathematik, spricht fertig deutsch und lateinisch. Ich habe mich so recht ungetrübt der Freude hingeben können, da sie so aus Gottes Hand kam.  Die Frau Kronprinzessin hat während fast zweier Monate soviel gemalt, dass ich nur wenige kleinere Arbeiten habe machen können. Am Schluss dieser Zeit hat die Frau Kronprinzessin dann noch mit ihrer Hofdame mich in meinem Atelier besucht und Frau und Kinder sind ihr vorgestellt worden. Meine liebe Frau war hoch erfreut über ihre Anspruchslosigkeit." Dieser Unterricht ging bis in die 70er Jahre.  

 
Anbetung der Weisen aus dem Morgenlande
Altarbild in der Domstiftskapelle zu Berlin
Stiftung Kaiser Wilhelms I. 1865
 
An der Berliner Akademie lehrte er Komposition, Kartonzeichnen und Gewandung.  Er wurde Mitglied des Senats der Akademie. Zu seinen Schülern hatte er ein herzliches, fast seelsorgerisches Verhältnis. Zweimal im Monat war mittwochs ein offener Abend mit Schülern und Freunden, es gab viel Anregung, malerischer, musikalischer und sonstiger Art. Zwischendurch gab es ein einfaches Abendbrot.  

An dem vaterländischen Erleben nahm er regen Anteil. So an der Revolution 1848, die ihn um den schönen Auftrag von Cornelius brachte, an den Kriegen von 1864, 1866 und 70/71. Letzterer nahm ihm zwei liebe Schüler. 1878 erschütterte ihn das Attentat auf den greisen Kaiser Wilhelm I.  

Von 1866 - 1868 war er noch einmal in Schwerin, wo er für die Paulskirche einen dreiteiligen Altaraufsatz malte. Ausserdem hören wir von vielen Altarbildern hin und her im Lande, so im Krankenhaus Bethanien in Berlin, in Schlobitten (Graf Dohna), in Grossburg in Schlesien, sogar im Findelhaus in Hongkong findet sich ein Bild von ihm. Daneben schuf er eine ganze Reihe von Bildermappen für den Hausgebrauch: die Geschichte des Moses, die Weckstimmen oder das Wehen des Gerichts, Bilder zum Vaterunser und zum Propheten Daniel, um nur einige zu nennen. 1884 wurde ihm auf der Kunstausstellung die grosse, goldene Medaille zuteil. 1873 konnte er eine 3. italienische Reise machen, diesmal mit seiner Frau und anderen Freunden. 1875 fuhr er ein letztes Mal hin, mit seinem Freunde, Pfarrer Otto v. Ranke.  

Doch nun müssen wir einiges aus seinem Privat- und Familienleben nachholen. 41 Jahre lang hat er im Hause Luisenplatz 8 sein Atelier und seine Wohnung gehabt, davon 31 Jahre als Familienvater. Da Wohnung und Atelier beieinander waren,  lebte er auch bei der Arbeit mit der Familie und die Familie mit ihm. Dem Ehepaar wurden 11 Kinder geschenkt, das jüngste Söhnchen starb einjährig, die anderen 5 Töchter und 5 Söhne sind alle tüchtige Menschen geworden und gründeten - bis auf die unverheiratete Tochter Magdalene - alle eigene Familien und erreichten fast alle ein hohes Alter. Es herrschte ein sehr reges, lebendiges Leben in dem kinderreichen Hause, es wurde viel musiziert, gebastelt, geknetet, geschnitzt. Bei sonntäglichen Spaziergängen in den Tiergarten oder Grunewald hiess es wohl: "Da kommen die Pfannschmidt´schen Orgelpfeifen." 

Ein Höhepunkt des Familienlebens war "Mutterles Geburtstag" am 4. Dezember. Er blieb es auch lange nach Grossvaters Tod bis zum Tode von Grossmutterle im Jahre 1912. Ich erinnere mich an manche dieser Feiern, zu denen Kinder, Enkel und Freunde in die Wichmannstrasse (Grossmutterles Wohnung bis zu ihrem Tode) strömten, zuweilen 30 - 40 Personen, die liebvoll aufgenommen wurden und sich des Beisammenseins einschliesslich der traditionellen Baisertorte erfreuten.  

1883 erlebte Pfannschmidt noch eine besondere Freude: die Verleihung der theol. Doktorwürde. 1885 brachte ihm sein 50jähriges Künstlerjubiläum und die Stiftung und Einweihung seines Bildes im Domkandidatenstift in Berlin durch den Kaiser.  
 

 
Gethsemane
As der drittn Bitte des "Vaterunser"
1880 bis 83 
in der Nationalgalerie Berlin
 
 
Pfannschmidts Leben neigte sich nun dem Ende zu. Er war bestrebt, jederzeit bereit zu sein. Verschiedene schwere Krankheiten brachten ihn mehrfach an den Rand des Grabes. Seine beiden geliebten Schwestern waren ihm durch den Tod vorausgegangen. Ein Herz- und Nierenleiden erforderte ärztliche Behandlung. Nach Vollendung einer Hl. Caecilia überfiel ihn eine solche Atemnot, dass er den Pinsel aus der Hand legen musste, um ihn nicht mehr aufzunehmen. Eine Freundin des Hauses,  Frau Pabst, geb. v. Nathusius, lud ihn in ihr Schloss Bellevue bei Köpenick ein, wo er mit seiner Frau und seinem Sohn Martin (meinem Vater) 6 Wochen lang weilte und bestens gepflegt wurde. Mit der Gewissheit seines baldigen Endes ging er dann nach Berlin zurück. Wie ein Patriarch verabschiedete er sich von den Seinen, bedankte sich und segnete sie. Am 5. 7. 1887 ist er ganz sanft heimgegangen. Die Trauerfeier fand an dem von ihm gewünschten weissen Sarg in der Matthäikirche statt, gehalten von Kögel und dem alten Freund Büchsel. Die Beisetzung erfolgte auf dem Matthäikirchhof.  

Seine Witwe überlebte ihn um 25 Jahre. Nur der älteste Sohn Gottfried war beim Tode des Vaters mit seinem Studium - Theologie - fertig. Studium und Ausbildung der übrigen Kinder ermöglichte die Mutter, das künstlerische Erbe ihres Mannes weise und klug verwaltend. Der Sohn Heinrich wurde Musikdirektor mit einem eigenen Chor in Berlin, der sich eines guten Rufes erfreute. Ich erinnere mich an die Kirche 1914, als wir an 3 Abenden vor ausverkauftem Haus die Matthäuspassion sangen. Der Sohn Fritz wurde Bildhauer. Von ihm wurde 1907 vor der schönen, alten Kirche in Lübben, in der Paul Gerhardt nach seiner Vertreibung aus Berlin wegen seines lutherischen Glaubens predigte, das sehr eindrucksvolle Denkmal enthüllt. An der Feier durfte ich mit seinen Kindern teilnehmen. Er ist im 1. Weltkrieg als Hauptmann der Reserve gefallen. Der jüngste Sohn Ernst wurde gleich dem Vater Maler,  Schüler von Eduard v. Gebhardt in Düsseldorf. Seine bekanntesten Arbeiten sind wohl die Ausgestaltung der Abdinghofkirche in Paderborn, die leider von Bomben zerstört wurde und die Malereien und Mosaiken in der protestantischen Kirche in Rom, im Auftrage des Kaisers; ausserdem Mosaiken in der ev. Kirche in Jerusalem und in der Michaeliskirche in Hamburg.  Grossmutterle durfte noch die Erfolge und Familiengründungen ihrer Kinder, die Geburt von 32 Enkeln erleben, bis sie im Jahre 1912, auch wie eine Patriarchin, heimging. In den Wochen vor ihrem Tode eilte von Kindern und Enkeln noch zu ihr, wer es ermöglichen konnte, auch ich durfte bei ihr sein, ihr mit den anderen ihre Lieblingschoräle singen und erleben, wie sie im festen Glauben getrost durch das dunkle Tor zum Licht ging.  

Nun ist schon die Generation der Ur- und Ururenkel da, weit verstreut im Lande. Es gibt unter ihnen Architekten, Musiker, Kunsterzieher, Pfarrer und Lehrer. Auch in diesen späteren Generationen zeigen sich künstlerische Begabungen, auch wenn sie nicht als Hauptberuf, sondern als Liebhaberei oder Nebenbeschäftigungen dienen.  Wir alle haben Grund dazu, mit Dank und Ehrerbietung an den Ahnen zu denken, der als erster aus seiner Familie unter grossen Opfern ein Künstler wurde und der christlichen Kunst sein Leben weihte.